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Die Burgkirche Nieder-Rosbach

 

Die Burgkirche in Nieder-Rosbach zählt zu den architektonischen Kleinoden in der Wetterau. Ihr Standort wurde in alten Zeiten als Friedhof genutzt. Etwa im 13. Jahrhundert entstand dort der erste Kirchenbau aus Holz. 

1533/34 wurde die Reformation in Rosbach eingeführt und Nieder-Rosbach evangelisch.

 

Der Turm

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Der heutige Turm stammt noch aus dem 13. Jahrhundert; er ist der älteste Teil unserer Kirche und diente früher auch zu Verteidigungszwecken. 

Den quadratischen Grundriss von 7 x 7 Meter bilden 85 cm starke Mauern, die sich zu einer Höhe von 17 Meter erheben. 

Auf diesem Mauerwerk sitzt der Holzturm, eine achteckige Fachwerkkonstruktion. Diese in der Wetterau häufig zu sehende Form bezeichnet man als „welsche Haube“. In dem Buch „Kirchtürme in Oberhessen und Starkenburg wird der dreigeschossige Turmaufbau von Nieder-Rosbach als einer der schönsten des Mittelalters beschrieben. 

85 Stufen führen zu den Glocken in der unteren Haube. Die dicken Eichenbalken des Turmfachwerks stammen wahrscheinlich aus dem Rosbacher Gemeindewald. Es wurde aber auch Floßholz aus dem Spessart erworben, das mit Fuhrwerken in Frankfurt oder Hanau vom Main herbeigeschafft wurde.

Das Kirchenschiff

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Die ersten ganz oder teilweise aus Holz errichteten Kirchen wurden im Jahr 1774 von unserer heutigen spätbarocken Kirche ersetzt. 

Das Kirchenschiff ist 10,30 Meter breit und 15,60 Meter lang, die Stuckdecke überwölbt den Kirchensaal in 7 Meter Höhe. 

Erbaut wurde die Kirche hauptsächlich mit Steinen aus einem Rosbacher Steinbruch. Die Sandsteine für Tür- und Fensterlaibungen bezog man aus Büdingen, die Kalksteine zur Mörtelherstellung aus Offenbach. 

Im Lauf von mehr als 200 Jahren wurden natürlich mehrmals Renovierungen und Reparaturen notwendig. Nach einer Turminstandsetzung 1865 folgten 1911/12 gründliche Reparaturen am Turm. 1940 konnte man eine neue Heizung einbauen; der Ofen im Altarraum wurde durch eine im Boden versenkte Ölheizung ersetzt. 1952 reparierte man das Kirchendach. 1961/62 wurde als erste ihrer Art im Kreis Friedberg eine vollelektrische Uhr eingebaut, der Kirchturm wurde neu verschiefert und das Dach neu gedeckt. 1993/94 wurde der Kirchturm mit dem Glockenstuhl saniert; dabei wurden neue Zifferblätter installiert. 

1989/90 fand eine große Innenrenovierung statt. Dabei mussten die alten Dachbalken aus Floßholz grundlegend saniert werden, da sie von Hausschwamm befallen waren und akute Einsturzgefahr bestand. Neue Stützbalken wurden eingezogen. Der Oberzug, der stärkste Balken des Daches, verläuft längs durch das gesamte Kirchenschiff.

Restauriert wurde aufwändig nach alter Handwerkskunst, um die alte Bausubstanz so gut wie möglich zu erhalten. So wurden beispielsweise die Säulen mit Gänsefedern gestrichen, Empore und Bänke grau-grün wattiert. Dadurch zeigt sich heute der gesamte Innenraum in den ursprünglichen spätbarocken Farben. 

Entfernt hat man den „klobigen“ Altar und ihn durch einen zierlicheren beweglichen Altartisch aus Buchenholz ersetzt. 

Die Eichentüren mit ihren Beschlägen sind noch original, erneuert wurden die ausgetretenen Sandsteinschwellen.

Der Taufstein

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Der große Taufstein stammt aus romanischer oder frühgotischer Zeit. Gefertigt wurde er vor über 800 Jahren aus Vogelsberger Lungbasalt und ist den Taufbecken in Friedberg und Nieder-Wöllstadt sehr ähnlich. 

Die Größe des Taufsteins hat seinen Grund darin, dass im Mittelalter die Täuflinge durch mehrmaliges vollständiges Eintauchen ins Wasser getauft wurden. Seit rund zwei Jahrhunderten befürchtete man jedoch, die Säuglinge könnten durch das Eintauchen erkranken und ging dazu über, den Kopf der Täuflinge mit einigen Tropfen Wasser aus einem kleineren Taufbecken nur noch zu benetzen. So hatte der große Taufstein bald ausgedient und diente viele Jahrzehnte, auf dem alten Torpfosten des Pfarrhauses ruhend, als Blumenschale. Für die Taufen war ein transportabler Holzständer mit Metallschale angeschafft worden. 

1993 wurde der Taufstein wieder seiner ursprünglichen Aufgabe zugeführt: eine herausnehmbare Messingschale wurde in die Höhlung eingepasst. Ein Sandsteinsockel im romanischen Stil trägt das Becken. Im Sockel ist eine Stahlplatte mit vier stabilen Rollen eingelassen, die es ermöglichen, den Taufstein zu Taufen in den Kirchenraum zu rollen. Am 9. Mai 1993 wurde der ursprüngliche Taufstein bei der Taufe dreier Konfirmanden neu eingeweiht.

Die Kanzel

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Acht Stufen führen auf die Kanzel, die aus Eichenholz geschnitzt und gedrechselt wurde. Auf dem über ihr angebrachten Schalldeckel sehen wir die Jahreszahl 1774 und in der Mitte das „Auge Gottes“. 

Die Jahrszahl 1774 beweist, wann die heutige Kirche samt Kanzel errichtet wurde. 

Das „Auge Gottes“ ist ein uraltes Symbol und wurde schon im alten Ägypten als Zeichen der Allgegenwart Gottes verwendet. Der dreieckige Rahmen steht für die christliche Trinität: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. In der Barockzeit erfreute sich das Augensymbol großer Beliebtheit, weshalb vermutet wird, dass es bereits aus der Vorgängerkirche stammt.

Die Orgel

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In Unterlagen von 1702 finden sich erste Hinweise auf eine Orgel in der Nieder-Rosbacher Kirche. Diese Orgel wurde in die neue Kirche aus dem Jahr 1774 übernommen. 

1927 wurde in das alte Gehäuse eine neue Orgel eingebaut, und zwar von der Fa. Förster & Nicolaus aus Lich. Für die damals große Summe von 5535 Reichsmark (entspricht ca. 22000 Euro) bot das neue Instrument 2 Manuale (Tastenreihen), 9 Register (Pfeifenreihen), 8 Spielhülfen (Koppeln) und 470 Pfeifen (162 aus Holz, 308 aus Metall). Eingeweiht wurde die neue Orgel am 9. Oktober 1927 und bis 1973 gespielt. 

1973 wurde die heutige Orgel von der Firma Oberlinger aus Windesheim/Pfalz komplett neu gebaut. Sie steht über dem Altar, damit Optik und Akustik optimal zur Geltung kommen. Unsere Orgel hat 54 Tasten und 470 Pfeifen. Die heute zu sehende Orgel wurde 1978 zur Konfirmation von unserem Organisten Michael Fischer zum ersten Mal wieder gespielt. 

Erfunden wurde die Orgel ursprünglich in Griechenland. Aus Byzanz wurde um 800 eine Orgel als Geschenk für Karl den Großen an den Kaiserhof nach Aachen gebracht. Populär wurde sie vor allem durch die Musik von Johann Sebastian Bach (1685-1750).

Die Turmuhr

In ca. 15 Meter Höhe hängt die Turmuhr, die zum 100-jährigen Kirchenjubiläum angeschafft wurde. Vergoldete Zeiger zeigen uns die Zeit mit Römischen Ziffern.

Sonnabend vor Pfingsten, am 23. Mai 1874, wurde das Uhrwerk angelassen. Erbaut wurde die Uhr von Uhrmachermeister Gustav Landmann aus Frankfurt/M. Die Uhr musste täglich vom Glöckner aufgezogen werden. 1938 kam ein zweites Zifferblatt an der Ostseite dazu. 

1962 erwarb man eine vollelektrische Uhr, die nicht mehr aufgezogen werden musste. Seit 1989 befindet sich eine funk gesteuerte Digitaluhr im Kirchturm, die die Glocken steuert. 

1993 wurden die alten Ziffernblätter durch neue erneuert sowie ein drittes Ziffernblatt eingebaut. 

Die Glocken

1756 wurde zum ersten Mal eine Glocke der Burgkirche urkundlich erwähnt. 

Schriftstücke belegen, dass 1780 zwei Glocken im Kirchturm hingen. 

1843 wurden die Glocken wegen Beschädigung von Glockengießer Phil. Bach aus Windecken umgegossen. Die größere Glocke (320 kg, Durchmesser 81 cm) erhielt die Inschrift: „In Eintracht und herzinnigem Vereine versammle sie die liebende Gemeinde. Nieder-Rosbach 1843. Ehre sei Gott in der Höhe!“. Die Kleinere (170 kg, Durchmesser 65 cm): „Glaube, Liebe, Hoffnung, 1843“. 

1865/75 wurde eine dritte Glocke gekauft (350 kg, Durchmesser 90 cm), die die Inschrift trug: „Im Namen Gottes goss mich für die Gemeinde Nieder-Rosbach Johann Peter Bach in Windecken 1756“. 

1917 wurden die größte und kleinste Glocke „zu Kriegszwecken“, also zur Waffen- oder Munitionsherstellung abgeholt, pro Kilogramm Metall gab es eine Mark Entschädigung. 

1920 wurde als Ersatz für die beiden eingeschmolzenen Glocken die „Kriegergedächtnisglocke“ (640 kg, Durchmesser 65 cm) erworben. Zum Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges trug sie die Inschrift: „Die Toten beklage ich, die Lebenden rufe ich! Gewidmet von der Gemeinde Nieder-Rosbach 1920“. Am 22.12.1941 wurde diese Glocke wiederum zu Kriegszwecken abgeholt. 

1949 konnte man zwei neue Glocken kaufen, gegossen von der Firma Hamm aus Frankenthal. Auf der kleineren (275 kg, Durchmesser 79 cm) steht: „Den Gefallenen zum Gedächtnis. Den Trauernden zum Trost!“ Auf der großen Glocke (657 kg, Durchmesser 90cm) kann man lesen: „Ich künde die Zeit. Ich rufe zur Arbeit. Und mahn an die Ewigkeit“. Daneben die mittlere Glocke, die zwei Weltkriege überdauert hat. Zu jeder Viertelstunde können wir sie hören, zur vollen Stunde verkündet die große Glocke die Stundenzahl, das volle Geläut ertönt zum Gottesdienstbeginn.

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